Und wo ist hier der Sinn?

Störenfried und Goldschatz

Die Frage nach dem Sinn begleitet manche von uns das ganze Leben, und andere stellen sie lieber nicht. Es ist eine unbequeme Frage, denn sie geht auf den Grund, will das „Warum“ wissen. Sie gräbt in die Tiefe, es geht ans Eingemachte, um Dinge, die „wir halt immer schon so gemacht haben“ oder „die nunmal so sind.“

 

Das kann selbst dann schon unangenehm werden, wenn es sich um Kleinigkeiten handelt. Wenn eine neue Mitarbeiterin z.B. fragt, warum denn diese eine Sache so gemacht wird. Ganz unabhängig davon, wie diese Mitarbeiterin damit beabsichtigt, es schwingt im Warum immer die Möglichkeit mit, dass es auch anders gehen könnte. Toll für Tüftler und Innovative und weniger toll für jene, die Bewährtes schätzen.


Hier kannst du die Folge anhören:


RIsiko und Chance

Gerade wenn es um etwas Bedeutsameres, um ein Lebensthema geht, dann braucht schon ein wenig Mut, nach dem Sinn zu fragen. Denn die Antwort könnte Konsequenzen einfordern. Sie könnte etwas aufdecken, das womöglich schon länger bereit wäre für eine Veränderung. Und Veränderungen sind aufwändig, sie kosten Energie, erfordern Aktivität, ein Eingreifen unsererseits– sie stören den normalen Ablauf der Dinge, bringen alles durcheinander, erzeugen zunächst Chaos, bevor sich eine neue Ordnung entfalten kann. Allein der Gedanke daran kann Unbehagen verursachen.

 

Die Frage nach dem Sinn ist – wenn wir sie achtsam stellen und beantworten möchten -aber auch eine Chance. Wir können schauen, wo wir stehen, und uns gegebenenfalls neu ausrichten. Wenn z.B. jemand beruflich unzufrieden ist, könnte es sich lohnen, nach dem Sinn zu fragen. Warum mache ich das immer noch? Welche Bedeutung hat das in meinem Leben? Vielleicht überrascht die Antwort sogar und es folgt die Erkenntnis, dass es ja eh Sinn macht. Das könnte dann eine ganz angenehme Veränderung auslösen, nämlich in unserer Haltung zur Arbeit und das könnte diese doch recht beachtliche Zeit, die wir dort verbringen, schon sehr erleichtern und uns guttun.

 

Im anderen Fall, wenn sich herausstellen würde, dass es diese Tätigkeit, diese Arbeit, zu der wir uns irgendwann mal entschieden haben und von der wir vielleicht sogar mal begeistert waren aber die uns nun so unzufrieden macht, jetzt nicht mehr ist, dann wäre das womöglich unangenehm und irritierend und aufwühlend, aber auch kein Grund zur Panik mehr, denn wer achtsam nach dem Sinn fragt und ebenso achtsam antworten möchte, braucht sich ja nicht vor sich selbst zu fürchten.

 

Vielleicht würden wir uns dann, wenn der erste Schock mal überwunden ist, an eine weitere Frage herantrauen: Was macht jetzt für mich Sinn? Allein der Umstand, dass wir uns das fragen, bedeutet ja schon, dass wir im Unterschied zu vorher, wo wir einfach nur unzufrieden waren, die Situation plötzlich aktiv gestalten, unser Potential anzapfen und uns weiterentwickeln. Und es könnte sein, dass wir uns zwischenzeitlich in einer potentiell unbequemeren Situation befinden, wenn die Zeichen auf Veränderung stehen.

Wohlfühlfaktor

Unbequem ist natürlich alles andere als hip in einer Gesellschaft, die sich so gern „wohlfühlt“ wie wir. Es gibt die Wohlfühlfigur und das Wohlfühlhotel und Wohlfühlwochenenden und Wohlfühlfernsehen und Konsum zum Wohlfühlen. Ist es nicht erstaunlich, dass es trotzdem so viele Menschen gibt, die körperlich oder psychisch angeschlagen sind, sich einsam oder erschöpft oder leer fühlen oder ständig auf der Jagt nach dem nächsten Kick in Form von Konsum oder Aktivität sind? Die sich in einer Kultur, in der uns vorgegaugelt wird, dass jeder Mensch „Glücklichsein“ irgendwie erwerben könne, dass das Glücklichsein für jede Person machbar wäre, wenn sie nur den richtigen Dreh raus hat, den richtigen Lifestyle, den richtigen Coach, den richtigen Job, den richtigen Partner, den richtigen Hund, das richtige Auto,….dass diese Menschen sich als Versager*innen fühlen, weil es ihnen da Glücklichsein „misslingt“?

 

 

Was auch immer Glücklichsein für jeden Menschen bedeuten mag, es ist bestimmt nichts, was wir HABEN oder TUN können. Es geht ums SEIN – um einen Zustand, der unabhängig von den Lebensumständen als Möglichkeit in jedem Moment angelegt ist. So betrachtet, wäre es etwas, das sich womöglich entdecken ließe. Und wer das möchte, könnte sich also zuerst mal so oft wie möglich in den Moment begeben, ganz im Jetzt sein und in achtsamer Haltung wahrnehmen, was da außerhalb und innerhalb von uns so vorgeht – selbst wenn es anfangs vielleicht nur wenige Sekunden sind (das kann eine Herausforderung für sich sein, wenn man das noch nie gemacht hat).

 

Wir könnten uns auch die Frage nach dem Sinn stellen und offen und neugierig warten, was dann passiert, ohne groß darüber nachzudenken, ohne abzuwägen oder zu bewerten. Vielleicht würde dann ein Gedanke auftauchen oder ein Gefühl oder ein Bild, vielleicht aber auch nichts und dann wäre das auch eine Antwort. Die Frage an sich geht jedenfalls tiefer als das, was wir HABEN könnten, wenn wir dieses oder jenes TUN. Sie berühren und bewegt uns und wenn wir sie auf achtsame Weise stellen, dann bringt sie uns vielleicht in den jetzigen Moment und sehr wahrscheinlich näher zu uns selbst. Und das allein würde womöglich schon Sinn machen.

💛


Inspired by: Tatjana Schell


Petra Ouschan ist psychologische Beraterin und arbeitet besonders gern über Mail. U.a. inspiriert von ihren Klient*innen, gestaltet sie gemeinsam mit Thomas Workshops zum Thema Achtsamkeit. Ein Online-Workshop zu diesem Thema wird im Juni 2019 starten.


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Wir unterstützen den Mut zum kleinen Abenteuer mit unserer 10-Tages-Challenge: vom 10. Mai bis 19. Mai senden wir den Leser*innen unseres Newsletters täglich einen Impuls in Form einer Übung zum achtsamen Experimentieren.

...und wenn es mal ein bisschen mehr sein darf:

ab Juni 2019


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