Let's get it started!

im Jetzt Sein für Anfänger

Äh ja...nette Idee, aber...

Jaa klar, "tu es einfach, komm ins Jetzt", klingt als Ratschlag recht vernünftig. Immerhin wird es schon seit Jahrtausenden recht erfolgreich praktiziert. Es würde vom Grübeln weg und zu einem achtsamen Leben hin führen. Es würde gelassener und geduldiger machen, den Geist und die Sinne schulen, uns Entscheidungs- und Handlungsspielräume eröffnen, uns einander offener begegnen lassen und vieles mehr.

 

Aber wenn es dann ans Eingemachte geht? Wenn wir uns in einer schwierigen Situation befinden? Es ist ja angeblich "nur" eine Entscheidung, ob ich mich in einer bestimmten Situation mit Gedanken an die Vergangenheit oder mit Sorgen um Zukünftiges auseinandersetzen will, oder ob ich stattdessen in den Moment komme und mal ganz neugierig und ohne Vorbehalte oder Bewertungen schaue, was da in mir und um mich herum passiert. Denn ich bin schließlich Herr*in meiner Gedanken.

 

Mhm. Das ist wohl eher für Profis was, die schon seit Jahrzehnten üben. Für Sportler*innen und Musiker*innen vielleicht oder auch für Kinder. Aber so, als erwachsener Anfänger mit ungschultem Geist ist das doch ein irre langer Weg, bis man dann mal was kann, oder?


🎧 Hier der Text zum Anhören:

 


Langer Weg oder einfach Weg?

Wenn wir uns entschieden haben, etwas zu lernen oder zu kultivieren, z.B beim Sport oder in der Musik, in einem neuen Job, in einer neuen Rolle, wenn wir unser Potential entfalten wollen, geht es dann wirklich um die Länge des Weges? Haben wir uns von der Länge des Weges davon abhalten lassen, laufen oder sprechen zu lernen? Ist die Länge des Weges in irgendeiner Form relevant, wenn uns dieses im-Moment-Sein, voranbringt, wir Dinge über uns selbst entdecken und unseren Horizont erweitern? Und womöglich finden wir diesen Zustand, so kurz er auch dauern mag, sogar ein angenehm bis vergnüglich?

 

Gut, zu Beginn vielleicht, wenn wir davon träumen, wie es sein wird, wenn wir dann mal "besser" sein werden als jetzt, es einfacher sein wird, sich die Mühe ausgezahlt haben wird, es irgendwann weniger Anstrengung und mehr Spaß einbringen wird. Und sobald die ersten Fortschritte eintreten, könnte es ein Selbstläufer werden. Wir haben etwas gelernt, sind an der Aufgabe gewachsen, und das könnte uns so begeistern, dass wir dranbleiben. Es ist eine Entscheidung, die wir jeden Tag aufs Neue treffen: Etwas zu praktizieren, weil es uns sinnvoll erscheint, uns bewegt, uns wachsen lässt. Wir erfreuen uns an dem Weg, an dem, was wir unterwegs entdecken, und auch an unseren kleinen oder größeren Fortschritten. Es geht nicht länger darum, ob wir endlich irgendwo ankommen, weil wir erkennen, dass wir schon längst da sind.

Anfänger*in? Meisterlich, Baby!

Wir sind so darauf getrimmt, "Profis" in allem zu werden, was wir anpacken, dass es oft eine zusätzliche Herausforderung sein kann, sich selbst wieder als "Anfänger*in" zu erleben. Dabei könnte ein Anfängergeist uns jeden Moment versüßen, der uns sonst vielleicht bitter oder langweilig oder alltäglich erscheint. Mit einem Anfängergeist geht es nicht mehr darum , irgendwo hin zu kommen.

Wer das erste Mal ein spannendes Musikinstrument in Händen hält, möchte ihm womöglich mal einen Ton entlocken und wenn es gelingt, wird sich ein gewisses Entzücken breitmachen.


Und je nach Grad der Begeisterung wird dann wahrscheinlich gehört und geschaut und ausprobiert, was noch alles geht. Die Gedanken an Vergangenes, die Sorgen um Zukünftiges sind verschwunden, es gibt nur den jetzigen Moment. Leistung oder Ziele werden unwichtig, das Ausprobieren und Üben selbst wird zu etwas Spielerischem, Vergnüglichem. Wir werden plötzlich zu Meister*innen und es braucht niemanden, der uns in diesem Moment sagt, wie es weitergeht. Wenn wir dann an einen Punkt kommen, an dem wir Lehrer*innen brauchen, die uns auf unserem Weg begleiten, dann wird sich etwas ergeben.

Anfänger gelangen sofort ins Jetzt

Dieser Anfängergeist ist einer der Brücken ins Jetzt.

Wir haben bestimmte Dinge schon so oft gemacht, dass wir uns gar nicht mehr darüber bewusst sein müssen, was wir da so tun. Das ist natürlich eine unglaubliche Energieersparnis. Zähneputzen, Autofahren, laufen, den PC bedienen, anderen die Hand schütteln - wir haben diese kleinen Tätigkeiten des Alltags so gut eingeübt, dass sie uns wie von selbst, automatisch von der Hand gehen. Diese Tätigkeiten könnten wir aber auch nutzen, um ins Jetzt zu kommen, als Teil unserer persönlichen Achtsamkeitspraxis.

HOw to anfängergeist

Wer seinen Anfängergeist kultivieren möchte, könnte mit folgendem Gedanken beginnen: Jede Situation, selbst wenn wir sie scheinbar schon tausend Mal erlebt haben, ist einmalig und einzigartig. Das gilt auch für einfache Alltagstätigkeiten.

"Niemand kann zweimal in denselben Fluss steigen"

Heraklit

Das würde dann auch für alltägliche Dinge wie das Zähneputzen gelten. Wir sind nie dieselben wie gestern, wenn wir am Morgen aufwachen. Es gäbe also -  allein wenn wir uns selbst beobachten - schon so viel Neues zu entdecken.

Vielleicht bist du das erste Mal hier und hörst oder liest diesen Text, oder du gehörst zu jenen, die das schön öfter gemacht haben. Jedenfalls ist eines sicher: Dieser Moment ist einzigartig. Er ist nur jetzt, unwiederholbar, einmalig. Da könnte man sich dann doch auf das Abenteuer einlassen, diesen Augenblick in seiner Einzigartigkeit wahrzunehmen. Da bist du - und da ist die Welt, und du bist ein Teil von allem, was jetzt gerade geschieht, ebenso einzigartig und einmalig.

Mut zum Abenteuer des Lebendig-Seins

Wenn wir uns auf dieses Abenteuer einlassen, mit Anfängergeist in einen Moment zu gehen, dann ist plötzlich alles neu. Die Art, wie du nach der Zahnbürste greifst, das Gefühl, wenn die Borsten den Zahnfleischsaum berühren, der Geschmack der Zahnpaste auf den verschiedenen Bereichen der Zunge, usw.

Wir entdecken plötzlich ganz neue Perspektiven. Und wenn wir unseren Anfängergeist kultivieren, würde sich sich die Haltung auch auf verschiedene Lebensbereiche ausweiten. Ganz wie von selbst, ganz leicht, würde sie uns verschiedene Positionen oder Perspektiven einnehmen lassen. Wir würden weit umfassender erkennen, was da gerade ist. Und wie in diesem Moment mit dem Musikinstrument würden wir entdecken, dass wir auch Alltägliches und Besonderes spielerischer und vergnüglicher erleben können, wenn wir uns auf dieses Abenteuer einlassen.

Das wäre doch mal ein erster Anfang, oder? Sich eine Tätigkeit vornehmen, und diese ganz bewusst erledigen. Und vielleicht könnte es sogar einen zweiten oder dritten oder hundertsten Anfang geben. Einfach ausprobieren, täglich 1-2 Minuten im Anfängergeist an Dinge rangehen, vielleicht für 2 Wochen, wenn du möchtest, und beobachten, was dann passiert. Deine Neugier auswickeln, wach werden, einen offenen Blick kultivieren, gute Begegnungen schaffen mit dir selbst und den anderen - du kannst nur gewinnen. Let's geht startet! 😊

💛

Petra Ouschan ist psychologische Beraterin und arbeitet besonders gern über Mail. Inspiriert von ihren Klient*innen gestaltet sie gemeinsam mit Thomas Workshops zum Thema Achtsamkeit. Ein Online-Workshop zu diesem Thema ist gerade in Arbeit.



Loslegen? Wie wäre es am 10. Mai 2019?

Wir unterstützen den Mut zum kleinen Abenteuer mit unserer 10-Tages-Challenge: vom 10. Mai bis 19. Mai senden wir den Leser*innen unseres Newsletters täglich einen Impuls in Form einer Übung zum achtsamen Experimentieren.


...Und wenn es etwas mehr sein darf...:

ab Juni 2019


Kommentar schreiben

Kommentare: 0