Früher habe ich gern geraucht

Ein kleiner Erfahrungsbericht...

In Memoriam meine heiß Geliebte

Ja, ich habe sehr gern geraucht. Nie hätte ich es als "Sucht" oder "Abhängigkeit" bezeichnet, sondern als etwas, das mir Vergnügen bereitet und auf jeden Fall zu mir gehört, wie es bei einer über 2 Jahrzehnte andauernden Liebe nunmal der Fall ist.

 

Sie und ich - ein Dreamteam

Niemand, hatte mich nach meinem 14. Lebensjahr ohne sie kennengelernt. Es gab uns nur zusammen. In den bewegendsten Momenten meines Lebens war sie immer bei mir gewesen, in den Frei-Wie-der-Wind-Momenten ebenso wie in den ganz üblen Stunden (in letzteren ganz besonders häufig). Ich konnte mich an ihr festhalten, als ich noch nicht wusste, wohin ich mit meinen Händen sollte, wenn jemand mit mir sprach. Ich konnte mich anklammern, wenn ich drohte verloren zu gehen und ich konnte mich an sie hängen, wenn ich mich dem Alltag für 6 Minuten entziehen wollte.

 

Wozu etwas Gutes beenden?

Im Gegenzug habe ich sie nicht aufgegeben, als ich während meiner Studienzeit etwas knapp bei Kasse war. Sie hat meine Beziehungen auf natürliche Art vorselektiert (ebenso später die Wahl meiner Lokale und Unternehmungen) und war in jeder Phase meines Lebens für mich da. Auch dann, wenn sonst niemand da war.

Warum sollte ich sie also verlassen? Wegen des Geldes? Wegen des kleinen Hustens? Wegen des Geruchs? Nö. Nie und nimmer dachte ich jemals ernsthaft daran, unsere Geschichte zu beenden. Sie gab mir Sicherheit, Stabilität, meine kleinen Auszeiten, Halt und wenn sich alles veränderte, wenn ich mich veränderte, blieb eines so, wie es immer war: Ich, rauchend.

Und dann hüpfte ich doch auf den Sessel

Ich weiß nicht mehr genau, was ich mir dabei gedacht hatte, in diesen Sessel in der Hypnosepraxis zu hüpfen. Es war eher ein Impuls als ein Plan oder ein festes  Ziel. In erster Linie war ich neugierig. Ich wollte wissen, wie Hypnose sich anfühlt, wie es funktioniert, und ob sich meine Gedanken danach verändern würden.

Der erste Gedanke danach

Mhm, es war angenehm, aber es hat überhaupt nicht funktioniert, dachte ich. Ich will sofort eine rauchen.

Von wegen, "kein Verlangen mehr". Mein Verlangen war stärker als je zuvor.  Ich drehte mir eine Zigarette und freute mich.

Die Tage danach

Am nächsten Tag war alles wie immer und doch irgend etwas anders. Etwas ganz kleines, so klein, dass ich es gerade bemerken konnte.

 

Das erste Zögern

Zu Beginn meiner ersten Pause, in der ich bis dahin immer rauchen gegangen war und die ich immer herbeigesehnt hatte, zögerte ich einen Moment. Ich habe mir natürlich trotzdem eine Zigarette gedreht und sie dann auch geraucht, aber dieses Zögern hat mich irritiert. Es ist immer wieder aufgetaucht und das Rauchen war plötzlich...ich würde nicht sagen schlecht...aber nicht mehr so toll wie sonst. Ich habe an diesem und am nächsten Tag etwa ein Drittel meines sonst üblichen Zigarettenvolumens konsumiert.

OK?

Am dritten Tag nach dem ersten Hypnosetraining hatte ich den zweiten Termin, und seit dem rauche ich nicht mehr (ja, es fühlt sich sehr eigenartig an, wenn ich das schreibe, aber ich habe dabei ein mulmig-gutes Gefühl).

 

Es ist leicht und ein bisschen traurig

Für mich ist es einerseits sehr leicht, denn ich habe seit der ersten Sitzung kein wirkliches  Verlangen nach Zigaretten mehr. Andererseits musste ich in jeder Situation, in der ich sonst geraucht habe, eine bewusste Entscheidung treffen. Manchmal hatte ich das Gefühl, als würde ich mich dann gegen mich selbst entscheiden und im selben Moment wurde mir klar, dass das Blödsinn ist. Nur wenn ich mich gegen die Zigarette entscheide, sage ich zu mir selbst ja. Ich bin ja nicht meine Zigarette. 

Trotzem - in den Pausen, bei Kaffee, in einer stressigen Situation, wenn ich traurig war, wenn ich draußen irgendwo saß, wenn ich mich mit Freunden traf, wenn ich auf meine Terrasse wollte (die habe ich anfangs gemieden), während ich gearbeitet habe, nach dem Essen. Eigentlich fast immer stand ich vor dieser Wahl.

Das war nicht schwer. Es war zu keinem Zeitpunkt schwer für mich, keine Zigarette zu rauchen. Es war schwer für mich, mich selbst ohne Zigarette zu ertragen und zwischendurch war ich mal sehr traurig und dann leicht reizbar. Es war für mich so, als hätte ich einen Begleiter verloren. Und ich musste mich selbst ohne Zigaretten kennenlernen, mich voll und ganz spüren und neu zu entdecken.

 

Es bleibt spannend

Für mich wurde es mit jedem Tag leichter. Anfangs habe ich gefährliche Orte oder Situationen gemieden, aber nach einer Weile habe ich immer seltener ans Rauchen gedacht. Ich habe neue Lokale entdeckt, die ich früher nicht besuchen konnte, und neue KollegInnen, die ich bisher nie getroffen hatte. Ich kann plötzlich zwei Stiegen auf einmal nehmen (bis dahin dachte es, dass meine Knie älter wären als ich selbst...) und frei durch die Nase atmen und radeln und mich gleichzeitig unterhalten, ohne nach Luft zu japsen. Meine Haare riechen auch am Abend noch gut und meine Kleider auch. Der Blick in den Spiegel wird von Tag zu Tag erfreulicher. Und das alles machte sich schon nach nicht mal einer Woche bemerkbar.

Für mich persönlich ist das Spannendste an dieser ganzen Geschichte, dass ich mich selbst auf völlig neue Art kennenlerne. Ganz so, wie ich bin und mich fühle, wenn ich die Natur genieße oder Stress habe oder eine Auszeit einfordern muss oder traurig bin oder mich ganz furchtbar fühle. Es ist dann einfach so, wie es ist. Für mich ist das ziemlich spannend und es kommt mir mehr und mehr so vor, als ob ich jetzt fast schon ein cooles Haus wäre.

Vielleicht war ich es aber auch schon immer :-)